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90 RELIGIONEN.

Nach dem Kalender des Jahres 1871 hat der District von Jeru-
salem
mit Ghazza und Yâfa 30,495 Häuser, was auf eine Bevöl-
kerung
von höchstens 220,000 Seelen schliessen lässt. Wir kommen
somit auf die Zahl von ca. 1,000,000 Einwohnern; dazu würde noch
Nord-Syrien mit Aleppo zu nehmen sein, wofür uns aber keine
Statistik vorliegt. Wie bereits gesagt, hat diese Statistik ohne
Zweifel grosse Lücken; so scheint z.B. die Schätzung von Beirût
aus einer viel früheren Zeit zu stammen. Auch ist bekannt, dass
die Steuereinnehmer die Zahl der Bevölkerung niedriger anzugeben
pflegen, als sie in Wirklichkeit ist. Dennoch glauben wir, dass
die Einwohnerzahl von Syrien kaum 2 Millionen beträgt, sodass nur
etwa 800 Seelen auf die Quadratmeile kommen würden (gegen ca.
4000 in Deutschland).

III. Religionen. Der geistige Character der drei semitischen
Stämme, welche Syrien bewohnen, der Juden, Syrer und Araber,
ist ein einheitlicher. Der Semit besitzt ein reiches tiefes Gemüths-
leben
, aber er hat keine Anlage zur Abstraction. Daher hat er
zu keiner Zeit wirklich philosophische Systeme geschaffen, nie die
höheren Formen der Poesie in Epos oder Drama, nie eine gewal-
tige
Kunst entwickelt. Aber er ist im Ganzen auch davor bewahrt
geblieben, seine Phantasie mit jenen Abstractionen aus der Natur
zu befruchten, aus denen der Formen- und Farbenreichthum des
antiken Götterglaubens hervorging. Gerade in Syrien haben Juden-
thum
, Christentum und mittelbar auch der Islâm, die drei Welt-
religionen
, ihren Ursprung gehabt; die Semiten sind dadurch zu
einem der wichtigsten Factoren der Weltgeschichte geworden.
Die letzte Consequenz, zu welcher der religiöse Gedanke bei dem
reinen, unverfälschten Semiten gelangte, war der Islâm, dieser
letzte practische Versuch, die dem Gefühle des Semiten nothwen-
dig
erscheinende Theokratie zur Herrschaft zu bringen, zugleich
der Abschluss des semitischen Prophetenthums.

Die Muslimen machen heute die Hauptbevölkerung, nach um-
stehender
Tafel etwa 4∕5 der Gesammtbevölkerung Syriens aus. Sie
betrachten sich noch heute als die Träger der besondern Gnade
Gottes, als die andern Völkern gegenüber bevorzugten und auser-
wählten
Herrscher. In Aegypten hat der von oben begünstigte
europäische Einfluss seit Anfang dieses Jahrhunderts bereits so ge-
wirkt
, dass dieser Stolz des Muslim dem Fremden kaum mehr be-
merklich
entgegentritt. In Syrien sind die Gegensätze noch schrof-
fer
; der Islâm fühlt sich hier noch ganz in seiner Macht, daher
ist der Character des Volkes fanatischer, für den Beobachter frem-
der
Anschauungen aber nur desto lehrreicher. Näheres über den
Islâm s. S. 95 ff.

Die Christen des Orients gehören in überwiegender Mehrzahl zur
griechischen Kirche. Wie die Anhänger derselben (einige Fremde
ausgenommen) sämmtlich arabisch sprechen, so wird auch der Got-
tesdienst
meist in arabischer Sprache gehalten. Doch sind die